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D. theol. Hans Stempel

Portraits ehem. Bewohner

D. theol. Hans Stempel (1894-1970), Kirchenpräsident

Heinrich Stempel wurde am 8. Juli 1894 im traditionsreichen Steinwendener Pfarrhaus als Sohn von Hermann und Martha Stempel, geb. Reichard geboren. Der Vater wirkte von 1890 bis 1899 als protestantischer Pfarrer in Steinwenden. Hier verbrachte Hans Stempel seine ersten Kinderjahre, an die er sich später stets gerne erinnerte. Als er vier Jahre alt war, wurde der Vater nach Freckenfeld versetzt, 1905 kam er nach Bissersheim, wo Hans Stempel seine Jugendjahre verbrachte. Nach dem Abitur studierte er ab dem Wintersemester 1913/14 Philosophie in Straßburg und München, unterbrach das Studium jedoch bald mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Als Soldat geriet er nach schwerer Verwundung 1915 in französische Gefangenschaft. 1916/17 studierte er in Zürich, wurde aber in der Schweiz kriegsinterniert, um dann noch einmal im letzten Kriegsjahr als Soldat einzurücken.

D. theol. Hans Stempel,
Präses und Kirchenpräsident.
(Zentralarchiv der evangelischen Kirche der Pfalz)

Nach Kriegsende setzte er sein Studium in Marburg fort und wurde stellvertretender Schriftleiter der Zeitschrift „Die Christliche Welt“. Das sich anschließende Studium der Theologie beendete er 1921 in Heidelberg. Noch im gleichen Jahr legte Stempel die theologische Aufnahmeprüfung in Speyer ab und wurde Pfarrverweser in Oppau. Der Wiederaufbau, der durch das große Explosionsunglück stark zerstörten Gemeinde, stellte große Anforderungen an den jungen Pfarrer, der sich 1922 mit der Professorentochter Hilde Panzer verheiratet hatte.
1926 wurde ihm die Leitung des neuerrichteten Predigerseminars in Landau übertragen. 1929 verlieh ihm die Universität Gießen den theologischen Ehrendoktortitel (D.theol. h.c.). Nach der Schließung des Predigerseminars übernahm er 1934 die Pfarrstelle an der Landauer Stiftskirche. Wie die meisten Pfarrer, so war auch Hans Stempel deutschnational eingestellt. Auch bei ihm war zu Beginn der NS-Zeit eine gewisse Faszination für den nationalsozialistischen Aufbruch festzustellen, doch durchschaute er bald das menschenverachtende System, wurde Mitbegründer und Vorsitzender der Pfälzischen Pfarrbruderschaft, die ein Teil der Bekennenden Kirche war. Sie kämpfte in der Hitlerzeit für die Freiheit des Evangeliums und für eine dem Evangelium gemäße Kirchenleitung. Sie protestierte gegen die Verfälschung der Christusbotschaft durch die „Deutschen Christen“ und gegen die Bedrohung der Glaubensfreiheit durch den NS-Staat. Nicht nur die Mitglieder der pfälzischen Bekenntnisfront und der Pfarrbruderschaft trafen sich im Landauer Pfarrhaus. In den Kriegsjahren lud er verwundete Soldaten aus den Lazaretten zu sich in das stets gastlich geöffnete Pfarrhaus ein. Im Winter 1946 wurde er zunächst theologischer Referent beim Landeskirchenrat, im August 1946 „Präses“, d. h. Vorsitzender des Landeskirchenrats und der Kirchenregierung, ab 1. Januar 1948 schließlich Präsident der Pfälzischen Landeskirche. Dieses Amt hatte er bis 1964 inne. Zu Beginn der fünfziger Jahre kümmerte er sich zusammen mit dem Böhler Pfarrer Friedrich um die Seelsorge der Kriegsgefangenen und -verurteilten. Viele konnten dank seiner Initiative aus Haft und Gefangenschaft herausgeholt werden. Als Mitbegründer des Deutsch-Französischen Bruderrats und Leiter des deutschen Zweigs verschaffte er sich Zutritt zu den französischen Gefängnissen. Manche Weihnachtstage verbrachte er bei den Kriegsgefangenen in mehreren Ländern des westlichen Europas. Ihnen brachte er Trost, für sie setzte er sich mit all seiner Kraft ein. Es war ihm nicht zuviel, sich um der Gefangenen willen an höchste politische und kirchliche Stellen, an Bischöfe und Kardinäle des In- und Auslandes, an de Gaulle und an den Papst zu wenden. Im Oktober 1970 besuchte er noch einmal die letzten deutschen Kriegsverurteilten in Breda/Holland. Infolge einer dort zugezogenen Erkältung, die zu einer Lungenentzündung führte, starb Hans Stempel am 2. November 1970 in Landau. Die Arbeit Stempels wurde unter anderem durch die Auszeichnung mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Schulterband und Stern, der theologischen Ehrendoktorwürde der Faculté Libre de Theologie Protestante de Paris und die Ernennung zum Offizier der Französischen Ehrenlegion gewürdigt. Sein Nachfolger im Amt des Kirchenpräsidenten, Theo Schaller (1900-1993), fasste Stempels Verdienste mit folgenden Worten zusammen:
„Er hat nicht nur versucht, sondern auch erreicht, dass die kleine Pfälzer Kirche aus ihrer Isolation heraustrat und ihren Beitrag zum Frieden in der Welt und zur Ökumene leistete: die versöhnende Verbindung mit Frankreich, die Gemeinschaft mit anderen Kirchen, wie den Kongregationalisten in der weiten Welt, das Ringen um die Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland - dies und vieles andere war sein Anliegen, und es ist nicht erfolglos geblieben. Weit über die Pfalz hinaus wird Gestalt und Werk Hans Stempels unvergessen bleiben.“

Roland Paul

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